Reusenfischer Erhard Djuren aus Wremen
Der Beruf heißt Reusenfischer. Es gibt ihn schon seit 100 Jahren. Außer mir macht das aber heute keiner mehr. Sie finden hier an der Nordseeküste keinen einzigen Reusenfischer mehr. In meiner Familie bin ich der erste gewesen. Ein Onkel hatte einen Krabbenkutter, aber er hatte keine Reusen.
Meine Eltern, die hatten eine Schlachterei hier in Wremen. Ich sollte damals unbedingt einen Beruf lernen, aber aufs Schlachten hatte ich keine Lust. Ich habe dann eine Zimmermannslehre angefangen, das war 1961. Ich war erst 13 Jahre alt. Ich bin ja am 11. Mai 1947 geboren und die Lehre fing schon am 1. April an. Ein Jahr später hab ich die Lehre hingeschmissen und war dann auf dem Hof meines Großvaters in der Landwirtschaft.
Damals hatte ich schon ein paar eigene Reusen. Ich hatte auch eine Buttlade, das ist ein Gerät aus zwei Holzlatten und einem Netz. Damit fängt man im Watt den Butt, also die Flunder. Immer, wenn die Flut kommt. Den Butt hab ich dann verkauft. Aber jetzt gibt es hier keinen Butt mehr, den holen sich die vielen Seehunde.
1984 kaufte ich dann einen Krabbenkutter, für 250.000 Mark. Der war damals zwangsversteigert worden. Meine Frau und ich hatten vorher Land verkauft. Ich bin dann mit dem Kutter rausgefahren und habe Krabben gefischt, fast zwanzig Jahre lang, bis 2001. Da hatte ich keine Lust mehr. Wenn man selbst fährt, muss man auch einen guten Mann an Deck haben. Aber was ich da erlebt habe – fürchterlich. Ich könnte einen Roman schreiben. Den Kutter hat ein Holländer kauft, das war ein gutes Geschäft. Das war noch ein Holzkutter, top in Schuss. Fünf Jahre später waren die nichts mehr wert. Jetzt sind die Kutter alle aus Stahl.
2001 habe ich meine ersten Reusen ausgesetzt. Angefangen habe ich mit zehn Reusen. Später wurden es immer mehr. Ich hatte mal 45 Reusen, damals habe ich das mit einem Nachbarn zusammen gemacht. Jetzt sind es wieder zehn. In einer Reuse sind manchmal 50 bis 70 Pfund Krabben drin. Pro Reuse! Die großen Reusen kann man zwei Jahre verwenden, die kleinen nur etwa ein Jahr. Dann sind die draußen mit Muscheln besetzt.
Die Reusen flechte ich selbst aus Weidenzweigen. Das Flechten ist gar nicht so einfach. Einmal ist es ja der große Korb, dann der kleine Korb. Mir hat das einer gezeigt, da war ich noch in der Schule. Das habe ich damals schnell gut hingekriegt. Auch den Schlickschlitten baue ich selbst. Der Boden besteht aus einer Eichenbohle, die habe ich selbst über dem Feuer gebogen. Vorher lag sie acht Tage in der Regentonne. Der Schlitten hier war zuerst etwas zu schwer. Dann habe ich noch mal an allen Seiten etwas abgehobelt, und jetzt laufen die Hunde wieder wie die Feuerwehr.
Die Hunde sind nicht besonders trainiert. Wir gehen einfach gut mit ihnen um, ich halte die auch ganz gut in Schach. Das kann nicht jeder. Wenn einer läuft, machen die anderen mit. Die wissen, dass sie im Watt warten müssen, bis die Reusen leer sind. Das müssen Mischlinge sein, die sind widerstandsfähiger: Labrador, Berner Sennenhund, Schäferhund. Zuchthunde kann man vor dem Schlitten vergessen. Vier Hunde waren das meiste, was ich vor dem Schlitten hatte. Jetzt sind es drei. Die ziehen dann mich und den Fang.
Die Tide bestimmt, wann ich rausfahre. Ich fahre meisten drei Stunden vor Niedrigwasser raus, also zur halben Tide. Wenn die Krabben noch im Wasser liegen, gehen die nicht gleich tot. Dann ist auch noch genug Wasser im Priel, damit kann ich den Fang sauber spülen. Gut eine Stunde brauche ich dafür, die Reusen zu leeren. Dann packe ich die Krabben auf den Schlitten und bringe sie zurück. Sie kommen in einen großen Kessel mit kochendem Salzwasser, den meine Frau vorher angeheizt hat. Wenn die Krabben aufschwimmen und rosa sind, kommen sie raus. Einmal abspülen und zum Trocknen an die Luft. Und dann in den Kühlschrank.
Die besten Monate für Krabben sind der September und der Oktober. Da kann man fast die Uhr danach stellen. Am dicksten sind sie im Oktober. Ich weiß nicht, ob ich nächstes Jahr noch einmal rausfahre. Vielleicht nicht mehr so weit. Vielleicht bleibe ich hier und setze die Reusen dann höchstens noch im Herbst.
Text: Philip Neumann